Auch Nichtstun hindert die Zeit nicht daran, eigensinnig wie stets zu verstreichen, und so kommt der Donnerstag heran. Wir können noch in Ruhe frühstücken. Dann ziehe ich mich an, novia beginnt das frauentypische Unterfangen, sich so schön zu machen, wie sie für mich sowieso schon ist. Aber das dauert und dauert und lässt mir Zeit für ein Buch und 1, 2... Bier.
Schließlich können wir doch aufbrechen und sind tatsächlich pünktlich im Notariat. Es steht eine lange Schlange an, aber die haben andere Anliegen und wir kommen pünktlich zum Zuge, als unsere Zeugen eingetroffen sind.
Wie auch in Deutschland rezitiert die Notarin in erstaunlicher Geschwindigkeit verschiedene Paragraphen, die zu unseren Rechten und Pflichten irgendetwas sagen, aber ich verstehe höchstens die Hälfte. Ok, in Deutschland bin ich bei solchen notariellen Akten auch immer nach kurzer Zeit weggetreten und bekomme nicht viel mit.
Nun ist es also an der Zeit, SÍ zu sagen, also wache ich vorsichtshalber auf und versuche, mich nicht zu versprechen. Ringe aufstecken, zum ersten Mal im meinem Leben trage ich einen Ring und finde das unbequem. Aber da muss ich wohl durch.
Noch ein gemeinsames Foto mit den Zeugen und dann in der casa unserer Freunde Kaffee und ein paar trago. Ich bedauere den Ablauf schon sehr. Die Hochzeit soll ja einer der schöneren Tage im Leben sein, aber eine richtige Feier ist leider nicht möglich. Meine Familie ist in Deutschland und esposas, novia sollte ich ja nicht mehr sagen, auf der Insel der Jugend und in Havanna. Keiner hatte die Möglichkeit, uns bei diesem Schritt zu begleiten.
Wir werden eine Feier nachholen, nehme ich mir vor, wenn sie nach Deutschland kommen kann. Falls dann in Deutschland eine Feier möglich ist und dieses
Corona -bicho nicht immer noch alles beherrscht.
Immerhin geben sie sich in Hotel viel Mühe. Es findet sich ein Fotograf.
Uns wird von allen Seiten gratuliert, der Tisch des Abendessens ist festlich geschmückt, spanischer Cava wird kredenzt und in der Bar betreut man uns ganz aufmerksam. Mein aktueller Favorit von Havanna Club wird immer wieder nachgegossen. Ob sie wirklich wissen, was sie da verschenken? Nun gut, der Drink wird mich nach Hause begleiten.
Wieder auf dem Zimmer machen wir uns langsam bettfertig, als ein heftiges Klopfen den Beginn unserer Hochzeitsnacht unterbricht. Es wird noch einmal eine Flasche Cava im Eiskübel gebracht, damit wir mehr von der Nacht haben.
Am Morgen erwache ich relativ zeitig und bin allein. Esposa ist nicht da, weder im Bett noch sonst an einem Ort unseres Apartments. Hmmm, so hatte ich mir den ersten Morgen als Ehemann nicht vorgestellt.
Ihr Telefon liegt auf dem Nachtschrank, also gehe ich wieder zu Bett und warte ab, wie sich die Situation wohl entwickeln wird. Nach einer Weile taucht sie auf, mit Kamillentee in der Hand. Aufregung und der ungewohnte Alkohol und was weiß ich, was sonst noch, haben ihr auf den Magen geschlagen. Sie braucht den ganzen Tag, bis sie sich wieder wohler fühlt und wir sind uns einig, demnächst sollte sie nicht gleich wieder heiraten. Das scheint ihr nicht zu bekommen.