Als wir in Richtung Zentrum fahren wollten, mussten wir feststellen, dass der Malecon, die prachtvolle Uferpromenade Havannas, die sich logischerweise direkt am Meer befindet, gesperrt war. Wir vermuteten, dass es mit dem Wind zu tun haben könnte, der die Wellen und somit das Wasser auf die Straße sprühte, aber es war ein Anderer, zu dem ich später noch berichten werde.
Wir folgten also der Umleitung und einem einheimischen Auto ohne Auspuff, dessen Abgase aus irgendeiner Ritze seiner Stoßstange herausquollen und es furchtbar danach stank. Wir fuhren durch die Hinterstraßen, die uns traurige An- und Aussichten boten.
Viele Häuser waren durch die salzige Luft und die mangelnde Pflege in solch schlechtem Zustand, dass sie jeden Augenblick zusammenzu-brechen drohten. Jedoch gibt es im Gegensatz dazu auch einige in-zwischen farbenprächtig restaurierte Gebäude im kolonialen Stil, die recht nett anzuschauen sind und von denen man sich in Zukunft mehr im Stadtbild wünscht.
Am Hotel angekommen bezogen wir unsere Zimmer und entpackten die Koffer. Nach kurzer Erfrischung schlenderten wir durch die Straßen zum „Hotel National“, dem Fünf-Sterne-Luxushotel, in dem bereits Churchill, Al Capone und viele andere internationale Stars der dreißiger und vierziger Jahre nächtigten.
Das Hotel wurde in den dreißiger Jahren mit Mafiageldern gebaut. Es ist ein Traum und wurde erst vor ein paar Jahren liebevoll renoviert. Schon gleich in der Lobby spürt man den Luxus vergangener Tage. Tolle Aufzüge aus den dreißiger Jahren mit Etagenzeigern, natürlich renoviert, verrichten noch heute ihren Dienst. Eigentlich wollten wir dort Karten für die berühmte Tropicana-Show buchen, aber ent-schieden uns dann doch, die 35 Dollar für eine Stunde pro Person anderweitig anzulegen.
Das Freisitzrestaurant am Hotel, nach dem wir uns auch gleich erkundigten, wurde uns als geschlossen deklariert und zeigte sich, nachdem wir uns vor Ort selber davon überzeugten, schließlich doch als geöffnet. Dort bestellten wir auch gleich einen Tisch zum Abend-essen.
In der Zeit bis dahin betrachteten wir ein wenig die Gegend mit einem unbeschreiblichen Blick zum Meer und über die Bucht bis hinüber zum „Castillo del Morro“.
Da es hier ein wenig windig wurde, gingen Rudolf und Betti zurück zu unserem Hotel und holten etwas Windfestes zum drüber-ziehen.
Inzwischen vergnügten sich die anderen Vier auf der Terrasse mit einem „Mojito“, bestehend aus Rum, Soda, Rohrzucker und einem Minzezweig. Als wir wieder vollzählig und mit Strickjacken etwas wärmer bekleidet waren, setzten wir uns an den von uns vorbestellten Tisch und studierten die Speisekarte. Alles klang und war sicherlich auch lecker. Jedoch entschieden wir uns sechsstimmig einstimmig für Spanferkel.
Nicht schlecht staunten wir, als für uns sechs Personen das ganze Spanferkel aufgetischt wurde. Dazu gab es dunklen Reis mit schwarzen Bohnen, weißen Reis, Salat und eine dunkle Bohnensoße. Ein feines Fresschen, das leider so viel war, dass wir den nicht geschafften Rest stehen lassen mussten. Pro Person kam das ganze Mahl mit mehreren Bier, zwei Flaschen Wein, Tee und Mineralwasser gerade mal umge-rechnet 17 Euro. Das ist relativ günstig, wenn man bedenkt, in welcher Umgebung wir uns befanden.
Und während wir dort saßen und aßen, spielte eine vierköpfige Musikerformation auf ihren Musikinstrumenten sehr angenehm klingende kubanische Klänge. Als die Sängerin an die Tische kam, um um eine kleine Aufmerksamkeit der Gäste zu bitten, wurde ich zum Gitarrespielen verdonnert und legte auch gleich mit einem meiner selbstgeschriebenen Stücke los, welches erstklassig - und für mich zur großen Freude - von den Musikern mit einheimischen Rhythmen be-gleitet wurde. Rudolf kaufte sich eine CD von dieser Band, die allesamt wirklich gute Musiker sind und ließ sie auch signieren.
Vom Malecon drang immer lauter werdender Lärm zu uns herauf, der von den kleinen Tanz- und Musikgruppen der Stadt hervorgerufen wurde. Ja, wir hatten Glück und befanden uns zufällig gerade zur Zeit des Karnevals hier. Deshalb war die große Straße bei unserer Ankunft auch für den Autoverkehr gesperrt, wie wir uns nun erklären konnten.
Wir beschlossen, uns unter das Volk zu mischen und dem bunten Treiben beizuwohnen. Jedoch zogen wir uns vorher in unserem Hotel nochmals wärmer an. Überall auf den Straßen wimmelte es nur so von Menschen und alles schien auf den Beinen zu sein.
Der im Februar gefeierte Karneval geht übrigens auf die Zeiten der Sklaverei zurück. Alle vier Jahre im Januar wählten Vereinigungen von Sklaven eines afrikanischen Volkes, die so genannten „Cabildos“, ihren König und zogen in ihren farbenprächtigen Kostümen singend, trommelnd und tanzend durch die Straßen. Bald wurden von den Aus-führenden der Umzüge Vereine gebildet, die „Comparsas“. Da sich die Festzüge sehr von den religiösen Festen der Weißen unterschieden, zogen sie immer viele Schaulustige an.
Im 19. Jahrhundert entstanden auch Gegenumzüge von Weißen, die von großen Firmen gesponsert wurden. Da es aber zu Konflikten zwischen den einzelnen Gruppen kam, wurden die Festlichkeiten der Farbigen verboten. Nach der Revolution 1969 wurde der Karneval von der Regierung in den Juli verlegt, um die Zuckerrohrernte nicht zu ge-fährden. Nachdem er dann nochmals eine Zeit lang aus wirtschaft-lichen Gründen verboten wurde, führte man ihn 1996 als Anreiz für Touristen wieder ein, und verlegte ihn 1999 wieder in seine ur-sprüngliche Zeit im Februar.
Da die Bewegungszone der Tanzenden mit Metallzäunen versperrt war, schauten wir uns das Spektakel eben ohne weiteres von draußen an, wo man genauso viel sah, nur mit dem Unterschied, nicht so nah am Geschen zu sein. Wir standen genau am Ende der für die Karnevals-züge vorgesehenen Straße und hatten eine gute Sicht auf die auf uns zu steuernden Vereine. Es war wirklich erstaunlich, mit welcher Ausdauer die Tänzerinnen und Tänzer ihre Körper bewegten. Vor allem aber auch wie. Wir hätten sicherlich so einige Probleme, den Hüftschwung so hinzubekommen.
Der Ein- und Auslassdienst war unerbittlich und passte genau auf, dass ja kein Unbefugter auf das Gelände kam. Um dennoch hineinzu-gelangen schwindelten einige Einheimische der Polizei dermaßen die Taschen voll, dass es eine wahre Freude war, ihnen zuzuhören und -zusehen - auch ohne die Sprache zu verstehen.
In einem unbeobachteten Moment gelang es Rudolf und mir jedoch, uns in das Geschehen zu bringen und wir stahlen uns hinter dem Rücken der Wächter vorbei und knipsten die fröhlich tanzenden Menschen aus nächster Nähe, wobei wir die Rufe und Trillerpfeifen-pfiffe der Beamten absichtlich ignorierten, da wir aufgrund von vor-geschobenen, nichtvorhandenen Sprachkenntnissen sowieso nicht ver-standen hätten, was sie uns hätten sagen wollen. Wir jedenfalls hatten unseren Spaß. Auf dem Rückweg vom Karneval, der sich die ganze Uferpromenade entlang zog und noch viele schöne Fotomotive darbot, verloren Rudolf und ich, noch ganz benommen vom Anblick der lebhaften Tänzerinnen, den Anschluss zur Gruppe und gingen schon mal zum Hotel zurück, wo wir dann auch auf die anderen mit uns Reisenden stießen.
Zum Abschluss des Abends gönnten wir drei Herren uns an der Hotelbar noch je eines von den erfrischend lecker schmeckenden, kubanischen Bieren mit dem Namen „Cristal“.