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Kuba / Mexiko

Tag Vier: Cienfuegos​



Wie immer nach der Morgentoilette versammelten wir uns zum Frühstück in dem dafür vorgesehenen Raum, der jedoch zu meinem Leidwesen nicht mit meiner Lieblingsmarmelade ausgestattet gewesen war. Zumindest sah ich keine. Aber das tat des leckeren Frühstücks keinen Abbruch, denn es gab ja schließlich noch genügend andere Köst-lichkeiten, die es nur zu entdecken und probieren galt.

Nach einem kurzen Aufenthalt bei Espresso und Ananassaft in der Lobby fuhren wir in ein Wohngebiet von Cienfuegos. Dort suchten wir eine Frau auf, die Arnulf und Betti noch von früher her kannten, und besuchten sie in ihrer kühlen und karg eingerichteten Neubau-wohnung. Als wir schließlich an der richtigen Tür klopften, nachdem Arnulf zuvor eine Etage tiefer um Einlass gebeten hatte, öffnete Eleonora und begrüßte uns hoch erfreut.

Ich weiß nicht wie und woran, aber sie erkannte mich sofort und sagte, dass ich der Klaas sei. Komisch, denn immerhin vergingen 25 lange Jahre seit unserem letzten Sehen und ich war damals im Alter von sechs Jahren nicht so groß, kräftig, dunkelhaarig und bärtig.

Nach einem kurzen Plausch mit der 62-Jährigen verabschiedeten wir uns wieder und gingen zu Fuß durch das Wohngebiet.

Unterwegs ließen wir die Eindrücke der schon recht heruntergewirt-schafteten Neubauten auf uns wirken. Zwar sah die Gegend nicht so wohlig aus, aber wir hatten keine Angst und Bedenken, dass uns hier irgendetwas zustößt.

Als wir in der Nähe unseres ehemaligen Wohnblocks ankamen, er-kannte ich so Einiges wieder und hätte mich ohne weiteres zurechtge-funden. Alte Eindrücke wurden aufgefrischt.

Es ist schon interessant, was so alles mittels optischer Wahrnehmung aus dem Unterbewusstsein in das Bewusstsein befördert werden kann.

Nun standen wir also vor dem Balkon unserer damaligen Wohnung im Erdgeschoss. Und da es auch nicht minder auffällig ist, wenn sechs Ausländer sich in dieser eher untouristischen Gegend aufhalten, wurden wir sofort von den einheimischen Hausbewohnern ange-sprochen, denen wir erklärten, dass wir hier vor gut einem viertel Jahrhundert gewohnt hatten.

Die Frau des Hauses, oder besser gesagt, der Wohnung, war so freundlich und ließ uns Fremde ohne Bedenken einen Blick in die Wohnung und deren Zimmer werfen.

Hmm, irgendwie hatte ich es dann doch anders in Erinnerung, eindeutig kleiner eben. Auch fehlte die Wohnungseingangstür, die nicht mehr gebraucht wurde, weil ja nun der Balkon als Eingang diente. Die Gastfreundlichkeit war beispielhaft und beeindruckt mich immer noch. Man stelle sich vor, eine Familie in Deutschland würde von einer Schar unbekannter ausländischer Touristen besucht...

Nach diesem Erlebnis liefen wir zurück zum Auto und fuhren zur spanisch-kolonialischen Prunkvilla „Palacio del Valle“, in der maurische Dekorationselemente in einer Mischung aus Märchenschloss und Burg, aus Orient und Okzident, aus Gotik, venezianischem und arabischem Baustil dominieren. Für die Bauarbeiten wurden ab 1890 extra Handwerker aus Spanien und Marokko geholt.

Die drei Türme der Vorderseite symbolisieren im Übrigen Macht (der Burgartige), Religion (der in der Mitte) und Liebe (der mit der Kuppel). Dieser Palast aus tausendundeiner Nacht wurde 1917 fertig gestellt und erwartet heute seine Gäste unter anderem im Restaurant mit Piano-musik einer dunkelhäutigen Diva und einem einzigartigen Ambiente, welches sicherlich auch seinen Preis hat.

Nachdem wir mit dem Auto entlang des Meeres in das Stadtzentrum von Cienfuegos gefahren waren, stellten wir das Auto ab und liefen durch die Fußgängerzone.

Cienfuegos, dessen romantische Altstadt auf einer Halbinsel in einer Meeresbucht liegt, ist ein gemütliches Städtchen, das nicht ohne Grund "die Perle des Südens" genannt wird.

Die Altstadt ist nach einem zerstörerischen Sturm im 19. Jahrhundert im Schachbrettmuster komplett neu angelegt worden und bietet mit der „Calle 37“, auch „Prado“ genannt, eine herrliche Flaniermeile voll bunten Lebens.

Das Zentrum der Altstadt ist der „Parque Marti“, der mit seiner liebe-voll angelegten Parkanlage fast mediterranes Flair aufkommen lässt.

Die „Jagua-Bucht“, an der Cienfuegos liegt, wurde übrigens bereits 1494 von Columbus auf seiner zweiten Reise entdeckt. Der Name ent-stammt der indianischen Mythologie, nach der das Mädchen „Jagua“ vom ersten Menschenpaar gezeugt wurde. Manche Quellen sprechen von einer ersten Stadtgründung von „Fernandina de la Jagua“ schon um 1514 durch „Bartolomé de las Casas“. Die Gegend blieb jedoch zu-nächst weitgehend unbesiedelt.

In den folgenden Jahrhunderten war die Bucht hauptsächlich als Piratenunterschlupf berüchtigt. So sollen zum Beispiel „Francis Drake“ und „Henry Morgan“ hier geankert haben, bis um 1745 mit dem Bau der Hafenfestung „Castillo de Nuestra Señora de los Angeles de Jagua“ diesem Unwesen und auch dem Schmuggel ein Ende gemacht wurde. Nach Havanna und Santiago war es das dritte Kastell Kubas.

Bereits um 1750 entstanden hier die ersten Zuckermühlen Kubas, gefolgt von Plänen zum Ausbau der Stadt und des Hafens. Die heutige Stadt wurde am 22. April 1819 von 46 französischen Familien aus Louisiana und Bordeaux gegründet. Bereits 1825 wurde diese neue Siedlung durch ein Unwetter zerstört, aber sofort wieder aufgebaut. Danach, um 1830, erhielt sie schließlich ihren heutigen Namen nach dem spanischen General und Gouverneur „José Cienfuegos“, der die französischen Siedler geholt hatte, um einer schwarzen Bevölkerungs-mehrheit von Plantagensklaven entgegen zu wirken. Eine hohe Zahl sehr hellhäutiger, teils sogar blonder und blauäugiger Cienfuegeros zeugt noch heute davon.

Der Name Cienfuegos bedeutet wörtlich übersetzt "hundert Feuer" und steht also nicht für die Lagerfeuer eines Indianerstammes. Aber auch die Namensgleichheit mit dem Revolutionsführer „Comandante Camilo Cienfuegos“ (+1959) ist rein zufällig.

Heute ist Cienfuegos mit zirka 135.000 Einwohnern, Ölraffinerie, Kraft-werk, Zement-, Dünger-, Papierfabrik und den Werften einer der wichtigsten Industriestandorte des Landes.

Die Stadt verfügt über den drittgrößten Containerhafen Kubas, der in der Zuckerverladung sogar weltweit die Nummer 1 und außerdem Heimathafen eines großen Teils der kubanischen Shrimps-Flotte ist.

Der Bau eines Atomkraftwerkes, 1982 noch mit sowjetischer Hilfe be-gonnen und über die Bucht im Südwesten weithin zu sehen, wurde, nach einem zweiten Anlauf Mitte der neunziger Jahre, inzwischen nicht zuletzt auch aus Umweltschutzgründen endgültig aufgegeben, obwohl 75 Prozent der Bausubstanz und 20 Prozent der Ausrüstung erstellt sind und auch weiterhin erhalten und gewartet werden.
 
Trotz dieser industriellen Entwicklung konnte sich Cienfuegos mit großzügig angelegten Straßen und vielen klassizistischen und maurisch anmutenden Gebäuden, aber auch dank der reichen musikalischen Traditionen ein besonderes Flair bewahren

Cienfuegos ist angesichts der herrlichen Lage an der Bucht die wahre "Perle des Südens".

Der Anbau von Tabak, Obst und vor allem Zucker brachte die Stadt schnell zu erstaunlichem Wohlstand, von dem heute noch insbesondere die Gebäude rund um den „Parque Martí“ zeugen, den wir zu Fuß umrundeten und uns dort ein wenig umschauten.

Der Platz selbst, mit seinem einzigartigen Architekturensemble aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, bildet eines der schönsten kolonialen Bauensembles in Kuba.

Die Ostseite des Platzes wird von der „Catedral de la Purisima Concepción“ beherrscht. Der zweitürmige, eher schlichte, neo-klassizistische Bau wurde 1869 vollendet und 1904 zur Kathedrale geweiht. Gegenüber der Kathedrale flankieren zwei Marmorlöwen den Eingang zu diesem eindrucksvollen Park, dessen Zentrum von der Statue des Nationalhelden „José Martí“ gebildet wird. Am anderen Ende ist der Triumphbogen von 1902 zur Erinnerung an die Gründung der Republik Kuba zu sehen. Von dieser schmalen Seite des Parks vor der Kathedrale aus gesehen liegt rechter Hand das „Colegio San Lorenzo“ von 1927, welches auch heute wieder als Schule genutzt wird, und daneben das berühmte „Teatro Tomás Terry“, eines der wichtigen Baudenkmäler des Landes. Linker Hand wird die südliche Seite des Platzes vom blauen „Palacio de Gobierno“, ehemals Rathaus und heute Sitz der Regionalverwaltung, mit seiner roten Kuppel dominiert. Daneben befindet sich das Provinzialmuseum, welches 1898 erbaut worden ist.

Nachdem wir nun eine Runde um den Platz gelaufen waren, flanierten wir, wie die vielen Einheimischen auch, durch die Einkaufsstraße und schauten von außen in das ein oder andere Geschäft, wie zum Beispiel einen Schönheitssalon, eine Näherei und einen Waschmaschinenladen.

Hungrig wie wir am Nachmittag wieder im Hotel angekommen waren, setzten wir uns in das an den Pool angrenzende kleine Bistro und aßen eine wohlschmeckende Pizza und tranken Bier mit Limonade. Schade, dass wir das erst sozusagen am letzten Tag vor Ort entdeckt haben. Das hätten wir meinetwegen öfter tun können, aber naja...

Kurz nachdem wir gespeist hatten, erkannte Eleonoras ehemalige Schwiegertochter, die zufällig in diesem Hotel arbeitet, Arnulf und Betti.

Da wir uns ordentlich gestärkt hatten, beschlossen wir, ein wenig am karibischen Strand, teils im Sand, teils im Meer zu laufen.

Wir liefen ziemlich lange in der prallen Sonne, bis wir mit leicht roter Haut am drei Kilometer entfernten Hotel „Faro Luna“ ankamen, um uns kurzzeitig auszuruhen und auch gleich wieder den Rückweg auf selbigem Wege anzutreten.

Im Wasser befanden sich Muschelschalen und Schneckenhäuser, von denen sich Anne welche als Andenken und Urlaubsmitbringsel mit-nehmen wollte. Als sie einige zusammengesammelt hatte und sie uns zeigen wollte, kletterten Einsiedlerkrebse aus ihren Unterkünften auf Annes Handfläche. Aufgrund dieser Tatsache ließen wir die Tierchen mit ihren Behausungen lieber dort, wo sie hingehörten, und gingen somit ohne Kalkandenken von dannen.

Endlich im Hotel angekommen, stürzten sich Anne und ich in den Pool, um uns ein wenig zu erfrischen, was dann wohl auch sehr effektvoll gelang.

Unser Abendessen nahmen wir diesmal nicht dort ein, wo wir sonst speisten, sondern im Strandrestaurant unter dem Palmendach, in welchem wir vorher sechs Plätze reserviert hatten.

Alle außer Anne aßen wir Fisch, dessen Namen wir nicht kannten, da ihn uns niemand übersetzen konnte. Aber er war dennoch sehr lecker und vor allem auch gut bekömmlich. Anne vertilgte ihre Extrawurst in Form von „Pollo“, was Hühnchen auf Spanisch heißt.

Leider gab es hier aus uns unerklärlichen Gründen keinen Wein, der gut zum Fisch gepasst hätte, so dass wir nochmals in das andere Restaurant am Hotel gehen „mussten“, um uns Kuchen, Wein und Obst einzuverleiben. Auf dem Weg dorthin begegneten wir einem aus-gewachsenen Ochsenfrosch, den Anne komischerweise nicht küssen wollte.

Dieser Ochsenfrosch war übrigens zirka 15 bis 18 Zentimeter lang, wog sicherlich ein halbes Kilo und war auf der Oberseite braun bis olivgrün. Naja, irgendwie konnte ich Anne ja auch verstehen...

Nach dem zweiten Gang des Abendessens machten wir es uns in der Lobby nun zum dritten Gang mit Rum, Cola und anderen Getränken als Zuschauer einer Modenschau bequem. Arnulf und Betti hielten es allerdings nicht lange aus und legten sich bald zum Schlafen in ihr Zimmer. Rudolf und Ina taten nach einem Weilchen das Gleiche, während Anne und ich dem Treiben weiterhin beiwohnten und zu-sahen, wie die präsentierten Kleidungsstücke hauptsächlich von weib-lichen Interessenten anprobiert und begutachtet worden. Es ging zu wie in einem Hühnerstall...
 

Tag Fünf: Cienfuegos - Havanna​



Heute hieß es zum letzten Mal während dieser Urlaubsreise in, be-ziehungsweise bei, Cienfuegos aufzustehen. Nach dem wie immer reichhaltigen Frühstück packten wir unsere sieben Sachen in die Koffer und Taschen und beluden wieder das viel zu kleine Auto.

Jedoch hatten wir schon etwas Ballast bei Raul und seiner Familie ab-geliefert, so dass es mit dem geringen Raumangebot nicht ganz so problematisch war. Beim Bestücken des Geländewagens trafen wir vor dem Eingang des „Rancho Luna“ nochmals auf die Frau, der wir am Tag zuvor schon begegnet waren, verabschiedeten uns von ihr und dem Hotel und machten uns auf die lange Fahrt über die Autobahn nach Havanna.

Es war eine Fahrt in brütender Hitze, die wir an einer Art Rastplatz mit Restaurant, an dem eine alte, ausgemusterte und renovierte Dampf-lokomotive stand, unterbrachen. Dort nutzten wir die sanitären Ein-richtungen und kauften für relativ wenig Geld eine große Packung Mangosaft, die wir auch gleich fast in einem Schluck leerten.

Die Weiterfahrt führte uns wieder über die Autobahn, die sich zu-sehends am Rand mit Menschen füllte, die per Anhalter in die Landes-hauptstadt mitgenommen werden wollten.

Aber die Plätze unseres Fahrzeuges waren schon recht gut belegt und keiner von uns wollte noch jemanden auf dem Schoß sitzen haben, so dass wir dann direkt bis nach Havanna zum „Castillo de los Tres Reyes del Morro“ durchfuhren.

Auf der Straße dorthin, kurz vor der Festung, zahlten wir pro Person vier Dollar Eintritt und stellten unser Auto ein Stückchen entfernt und näher am Eingangstor auf dem Parkplatz, auf dem wenige andere Autos standen, ab. Am Eingang wurden, sicher ist sicher, unsere Ein-trittskarten noch zwei Mal von verschiedenen Wächtern kontrolliert.

Die Festung mit dem ursprünglichen Namen "Die Festung der drei Könige" wurde von 1589 bis etwa 1610 nach Plänen eines italienischen Militäringenieurs auf dem "Morro" genannten Felsen an der Einfahrt zur Bucht und damit zum Hafen gebaut. Sie schützte Havanna vor den zahlreichen Angriffen französischer, holländischer und englischer Piraten.

Mit schweren Geschützen bestückt, darunter die Batterie von zwölf Kanonen mit den Namen der zwölf Apostel, galt sie etwa 150 Jahre lang als uneinnehmbar. Erst als 1762 im britisch-spanischen Krieg eine Flotte von 44 Schiffen mit tausenden Kanonen an Bord die Stadt belagerte, fiel nach etwa zwei Monaten Widerstand auch der Morro.

Die englischen Truppen hatten sich unter dem Feuerschutz ihrer Schiffe vom nahe gelegenen Hügel (auf dem später „La Cabaña“ errichtet wurde) bis auf 200 Meter der Festung genähert und ein Pulverlager zur Explosion gebracht, wodurch eine Bresche in deren Mauern gesprengt wurde. Ein Jahr später regelte der Friedensvertrag von Fontainebleau am 6. Juli 1763 die Rückgabe Havannas an Spanien im Tausch gegen Florida.

Heute ist die Festungsanlage als riesiges Denkmal und Museum zu besichtigen, was unbedingt schon allein wegen der wundervollen Sicht über die Bucht und auf die mehr als Zwei-Millionen-Einwohner-Stadt Havanna getan werden sollte.

Die Festung an sich ist eine riesige Anlage mit unzähligen alten und schön verzierten, historischen Kanonen jeglicher Art und Größe. Leider aber wurden wir die ganze Zeit recht lautstark beschallt, was absolut nicht zum historischen Ambiente passte.

Und da es zudem die Sonne mit uns auch so ziemlich gut meinte, besuchten wir auch einige Museen und Ausstellungen, wo wir Schatten und Abkühlung erhofften. Dort waren allerhand Äxte und Ritter-rüstungen aus zahlreichen Epochen und Ländern zu sehen. Aber auch eine große Steinschleuder und ein Rammbock fanden schließlich gut erhalten ihre letzte Ruhe.

Die hungernden Mägen beruhigten wir in einem Restaurant, welches sich in einer der hinteren Ecken der vielen Gänge befand.

Die Lokalität war wie eine Art Piratenschänke eingerichtet. Die Bar hatte die Form eines Segelschiffes und an der Wand befanden sich Malereien, die mittels plastischer Elemente sehr lebensnah wirkten. So zum Beispiel saß am Nachbartisch ein Pirat an der Wand, der auf einem halb aus dem Gemäuer ragenden Stuhl saß, eine echte Feder auf seiner Mütze trug und aus einem Krug ein Getränk trank, mit dem er auch mit Rudolf fürs Foto anstieß.

Wir bestellten kühle Getränke und ein spätes Mittagessen. Als die Getränke bereits auf dem Tisch standen und wir noch auf das Essen warteten, hörten wir von draußen Trommelschläge. Das war das Zeichen dafür, dass die täglich 16 Uhr stattfindende Parade gerade im Gange war und wir natürlich Hals über Kopf die Lokalität verließen, um uns die Zeremonie draußen anzuschauen. Die Bedienung musste wohl recht verdutzt geschaut haben, als wir plötzlich von dannen stiebten.

Draußen marschierten gerade die Gewehrträger unter Trommelmarsch-musik zum Platz und positionierten sich, während der Chef der kleinen aus sieben Mann bestehenden Formation die brennende Lunte an die Zündschnur der dort stehenden Kanone hielt und sie damit ent-flammte.

„Peng!“, knallte es und schallte sehr laut von den Wänden des alten Gemäuers zurück. Die militärische Einheit marschierte, so sah es zumindest für uns aus, lustlos in einem gänseartigen, nicht gleich-schrittmäßigen Gang wieder dorthin, woher sie gekommen war.

Etwas enttäuscht, da mehr erwartet als geboten wurde, schlenderten wir wieder zurück zum Piratenmahl, welches gleich kurz nach unserer Ankunft gereicht wurde. Da wir recht hungrig waren, schmeckte uns das Schweinefleisch prima und wir waren sehr zufrieden mit dieser Entscheidung.

Nachdem wir das Essen bezahlt hatten, verließen wir die Anlage und gingen teilweise über das flache Dach der Festung, welches durchaus dem offiziellen Weg entsprach, zurück und machten an großen Bäumen, die ihre langen Wurzeln an den Wänden herabklettern ließen, Halt, um diese zu betrachten.

Auf dem Parkplatz bestiegen wir ein inzwischen gut aufgeheiztes Auto und Arnulf musste, da die Polizei an der Auffahrt zur Straße stand und er nicht einfach so über die Trennlinie fahren konnte, einen kleinen Umweg in die andere Richtung fahren, um zu wenden. Aber schon bei der nächsten Abfahrt nutzte er die Gelegenheit und fuhr durch zwei Kreisverkehre, von denen der Letztere einfach ignoriert wurde und er einfach über die kurze Strecke nach links abbog.
 
Als wir in Richtung Zentrum fahren wollten, mussten wir feststellen, dass der Malecon, die prachtvolle Uferpromenade Havannas, die sich logischerweise direkt am Meer befindet, gesperrt war. Wir vermuteten, dass es mit dem Wind zu tun haben könnte, der die Wellen und somit das Wasser auf die Straße sprühte, aber es war ein Anderer, zu dem ich später noch berichten werde.

Wir folgten also der Umleitung und einem einheimischen Auto ohne Auspuff, dessen Abgase aus irgendeiner Ritze seiner Stoßstange herausquollen und es furchtbar danach stank. Wir fuhren durch die Hinterstraßen, die uns traurige An- und Aussichten boten.

Viele Häuser waren durch die salzige Luft und die mangelnde Pflege in solch schlechtem Zustand, dass sie jeden Augenblick zusammenzu-brechen drohten. Jedoch gibt es im Gegensatz dazu auch einige in-zwischen farbenprächtig restaurierte Gebäude im kolonialen Stil, die recht nett anzuschauen sind und von denen man sich in Zukunft mehr im Stadtbild wünscht.

Am Hotel angekommen bezogen wir unsere Zimmer und entpackten die Koffer. Nach kurzer Erfrischung schlenderten wir durch die Straßen zum „Hotel National“, dem Fünf-Sterne-Luxushotel, in dem bereits Churchill, Al Capone und viele andere internationale Stars der dreißiger und vierziger Jahre nächtigten.

Das Hotel wurde in den dreißiger Jahren mit Mafiageldern gebaut. Es ist ein Traum und wurde erst vor ein paar Jahren liebevoll renoviert. Schon gleich in der Lobby spürt man den Luxus vergangener Tage. Tolle Aufzüge aus den dreißiger Jahren mit Etagenzeigern, natürlich renoviert, verrichten noch heute ihren Dienst. Eigentlich wollten wir dort Karten für die berühmte Tropicana-Show buchen, aber ent-schieden uns dann doch, die 35 Dollar für eine Stunde pro Person anderweitig anzulegen.

Das Freisitzrestaurant am Hotel, nach dem wir uns auch gleich erkundigten, wurde uns als geschlossen deklariert und zeigte sich, nachdem wir uns vor Ort selber davon überzeugten, schließlich doch als geöffnet. Dort bestellten wir auch gleich einen Tisch zum Abend-essen.

In der Zeit bis dahin betrachteten wir ein wenig die Gegend mit einem unbeschreiblichen Blick zum Meer und über die Bucht bis hinüber zum „Castillo del Morro“.

Da es hier ein wenig windig wurde, gingen Rudolf und Betti zurück zu unserem Hotel und holten etwas Windfestes zum drüber-ziehen.

Inzwischen vergnügten sich die anderen Vier auf der Terrasse mit einem „Mojito“, bestehend aus Rum, Soda, Rohrzucker und einem Minzezweig. Als wir wieder vollzählig und mit Strickjacken etwas wärmer bekleidet waren, setzten wir uns an den von uns vorbestellten Tisch und studierten die Speisekarte. Alles klang und war sicherlich auch lecker. Jedoch entschieden wir uns sechsstimmig einstimmig für Spanferkel.

Nicht schlecht staunten wir, als für uns sechs Personen das ganze Spanferkel aufgetischt wurde. Dazu gab es dunklen Reis mit schwarzen Bohnen, weißen Reis, Salat und eine dunkle Bohnensoße. Ein feines Fresschen, das leider so viel war, dass wir den nicht geschafften Rest stehen lassen mussten. Pro Person kam das ganze Mahl mit mehreren Bier, zwei Flaschen Wein, Tee und Mineralwasser gerade mal umge-rechnet 17 Euro. Das ist relativ günstig, wenn man bedenkt, in welcher Umgebung wir uns befanden.

Und während wir dort saßen und aßen, spielte eine vierköpfige Musikerformation auf ihren Musikinstrumenten sehr angenehm klingende kubanische Klänge. Als die Sängerin an die Tische kam, um um eine kleine Aufmerksamkeit der Gäste zu bitten, wurde ich zum Gitarrespielen verdonnert und legte auch gleich mit einem meiner selbstgeschriebenen Stücke los, welches erstklassig - und für mich zur großen Freude - von den Musikern mit einheimischen Rhythmen be-gleitet wurde. Rudolf kaufte sich eine CD von dieser Band, die allesamt wirklich gute Musiker sind und ließ sie auch signieren.

Vom Malecon drang immer lauter werdender Lärm zu uns herauf, der von den kleinen Tanz- und Musikgruppen der Stadt hervorgerufen wurde. Ja, wir hatten Glück und befanden uns zufällig gerade zur Zeit des Karnevals hier. Deshalb war die große Straße bei unserer Ankunft auch für den Autoverkehr gesperrt, wie wir uns nun erklären konnten.

Wir beschlossen, uns unter das Volk zu mischen und dem bunten Treiben beizuwohnen. Jedoch zogen wir uns vorher in unserem Hotel nochmals wärmer an. Überall auf den Straßen wimmelte es nur so von Menschen und alles schien auf den Beinen zu sein.

Der im Februar gefeierte Karneval geht übrigens auf die Zeiten der Sklaverei zurück. Alle vier Jahre im Januar wählten Vereinigungen von Sklaven eines afrikanischen Volkes, die so genannten „Cabildos“, ihren König und zogen in ihren farbenprächtigen Kostümen singend, trommelnd und tanzend durch die Straßen. Bald wurden von den Aus-führenden der Umzüge Vereine gebildet, die „Comparsas“. Da sich die Festzüge sehr von den religiösen Festen der Weißen unterschieden, zogen sie immer viele Schaulustige an.

Im 19. Jahrhundert entstanden auch Gegenumzüge von Weißen, die von großen Firmen gesponsert wurden. Da es aber zu Konflikten zwischen den einzelnen Gruppen kam, wurden die Festlichkeiten der Farbigen verboten. Nach der Revolution 1969 wurde der Karneval von der Regierung in den Juli verlegt, um die Zuckerrohrernte nicht zu ge-fährden. Nachdem er dann nochmals eine Zeit lang aus wirtschaft-lichen Gründen verboten wurde, führte man ihn 1996 als Anreiz für Touristen wieder ein, und verlegte ihn 1999 wieder in seine ur-sprüngliche Zeit im Februar.

Da die Bewegungszone der Tanzenden mit Metallzäunen versperrt war, schauten wir uns das Spektakel eben ohne weiteres von draußen an, wo man genauso viel sah, nur mit dem Unterschied, nicht so nah am Geschen zu sein. Wir standen genau am Ende der für die Karnevals-züge vorgesehenen Straße und hatten eine gute Sicht auf die auf uns zu steuernden Vereine. Es war wirklich erstaunlich, mit welcher Ausdauer die Tänzerinnen und Tänzer ihre Körper bewegten. Vor allem aber auch wie. Wir hätten sicherlich so einige Probleme, den Hüftschwung so hinzubekommen.

Der Ein- und Auslassdienst war unerbittlich und passte genau auf, dass ja kein Unbefugter auf das Gelände kam. Um dennoch hineinzu-gelangen schwindelten einige Einheimische der Polizei dermaßen die Taschen voll, dass es eine wahre Freude war, ihnen zuzuhören und -zusehen - auch ohne die Sprache zu verstehen.

In einem unbeobachteten Moment gelang es Rudolf und mir jedoch, uns in das Geschehen zu bringen und wir stahlen uns hinter dem Rücken der Wächter vorbei und knipsten die fröhlich tanzenden Menschen aus nächster Nähe, wobei wir die Rufe und Trillerpfeifen-pfiffe der Beamten absichtlich ignorierten, da wir aufgrund von vor-geschobenen, nichtvorhandenen Sprachkenntnissen sowieso nicht ver-standen hätten, was sie uns hätten sagen wollen. Wir jedenfalls hatten unseren Spaß. Auf dem Rückweg vom Karneval, der sich die ganze Uferpromenade entlang zog und noch viele schöne Fotomotive darbot, verloren Rudolf und ich, noch ganz benommen vom Anblick der lebhaften Tänzerinnen, den Anschluss zur Gruppe und gingen schon mal zum Hotel zurück, wo wir dann auch auf die anderen mit uns Reisenden stießen.

Zum Abschluss des Abends gönnten wir drei Herren uns an der Hotelbar noch je eines von den erfrischend lecker schmeckenden, kubanischen Bieren mit dem Namen „Cristal“.
 

Tag Sechs: Havanna​



Welch Freude ereilte mich, als ich zum Frühstück wieder besagte leckere Marmelade entdeckte und ich mich gleich mit ihr vergnügte, nachdem ich auch wieder andere Köstlichkeiten der herzhaften Küche aus- und durchprobiert hatte.

Der Spaziergang auf dem Malecon tat gut. Diesmal liefen wir direkt entlang des aufgewühlten Meeres und hätten ohne weiteres das über die Brüstung spritzende Wasser als Meeresdusche im Freien nutzen können. Jede Welle besprengte die Luft, die unsere Lippen salzig schmecken ließ. Es ist ein Deich, den man durch seine Lebendigkeit, seinen Kampf gegen den Atlantischen Ozean und das auffließende Wasser, stundenlang bewundern kann, was auch durchaus verständlich ist.

Wir wechselten die Straßenseite und gelangten schließlich zum Prado, einer Prachtstraße, in dessen Mitte ein breiter und schattiger Fußweg verläuft, auf dem Schüler mit roten Halstüchern zusammen mit ihren Erziehern Kinderspiele spielten.

Viele Restaurants und Hotels, die in dort befindlichen neo-klassizistischen und neobarocken Bauten untergebracht sind, säumen den „Paseo del Prado“, der vom Malecon zum Capitolio führt.

Im 18. Jahrhundert wurde er als "Umgehungsstraße" zum Hafen ange-legt und die Allee am Rande der Altstadt entwickelte sich schnell zur Flaniermeile. Das ist sie heute noch. Typisch für den kubanischen Neobarock des frühen 20. Jahrhunderts sind die reichen Verzierungen und natürlich die Schatten spendenden Säulengänge, unter denen wir uns in einem Hotelfreisitz ein Erfrischungsgetränk und Espresso gönnten. Dort wurden uns auch von einer zum Verkaufsstand des Hotels gehörenden netten Frau Zigarren angeboten. Sehr zu ihrem Leidwesen schlossen wir mit ihr jedoch kein Geschäft ab.

Wenige Schritte weiter befanden wir uns am „Plaza Marti“ vor dem „Capitolio“, dem Präsidentenpalast, der Ende der zwanziger Jahre errichtet wurde und ein exakter Nachbau des Capitol in Washington ist, jedoch derzeit als Akademie der Wissenschaften genutzt wird.

Wir bestiegen die große Treppe zum Eingang des Gebäudes mit 200 Metern Frontlänge und 94 Metern Kuppelhöhe. Nachdem wir das Ein-trittsgeld bezahlt hatten, fanden wir uns in seinem prunkvollen Inneren wieder.

Am Fuß der Kuppel - sie erscheint von innen viel höher - markiert ein 24-karätiger Diamant den Kilometer Null aller aus Havanna heraus-führenden Straßen.

Der Fries, die Möbel, die Anstriche, die bunten Glasfenster und die mit schönen Ornamenten verzierten Türen stellen ein einzigartiges, künstlerisches Ensemble dar. Und die 17,5 Meter hohe und 49 Tonnen schwere Bronzestatue „La República“ ist die weltweit drittgrößte frei-stehende Statue innerhalb eines Gebäudes.

Normalerweise hatten wir nur Eintritt für die Haupthalle bezahlt, konnten jedoch die Damen am Einlass der Seitenflügel mit Kugel-schreibern und einem Lippenstift bestechen, die uns dann unter anderem auch in das Zimmer führten, wo der Präsident bis 1959 noch seine Gäste empfing. Der Prunk, der schon im Detail des ganzen Gebäudes zu sehen ist, hat hier in diesem mit unzähligen, in Gold gefassten Spiegeln versehenen Präsidentenzimmer seinen Höhepunkt. Arnulf und ich setzten uns sogar an den Schreibtisch des ehemaligen Staatsoberhaupts.

Wir bedankten uns nochmals für die Freundlichkeit des Personals und machten uns auch gleich auf den Weg zur „Floridita“, einem Bar-Restaurant, das 1817 unter dem Namen „Piña de Plata" gegründet worden ist und als eine der traditionsreichsten Bars weltweit bekannt ist.

Bereits in den vierziger Jahren wurde die „Floridita" in der Fachpresse als eine der sieben wichtigsten und berühmtesten Bars der Welt ge-führt. Einzigartig und ursprünglich wie sie stets geblieben ist, und mit ihrer besonderen Kreativität als Wiege des „Daiquiri“, eroberte die „Floridita" die Herzen von berühmten Künstlern und Intellektuellen, unter ihnen der Literatur-Nobel-Preisträger, Ernesto „Papa" Hemingway, der sie viele Jahre lang tagtäglich besuchte, um ihr Ambiente zu genießen und sich an ihren Schöpfungen zu erfreuen.

Auch wir, wenn wir schon mal hier an diesem ehrwürdigen Ort waren, gönnten uns jeder solch ein nicht gerade preiswertes, aber köstliches Getränk aus fünf Zentilitern weißem Rum, drei Zentilitern Limonen-saft, einem Zentiliter Zuckersirup und zerstoßenem Eis in der gemüt-lichen und gepflegten Atmosphäre an dem in rot gehaltenen Bartresen. Interessant war auch, dass der Barkeeper, egal wie viele Drinks er zu mixen hatte, exakt die Menge ohne Messbecher zurechtmixte, die in die entsprechende Anzahl von Gläsern passte, so dass sie randvoll gefüllt waren und absolut kein Rest im Mixbecher übrig blieb. Tja, gelernt ist eben gelernt.

Hemingway ist übrigens noch immer gegenwärtig und sitzt, wenn heute auch nur als lebensgroße Bronzefigur, auf einem der vielen Hocker an der Bar, schaut dem bunten Treiben zu und lässt sich gern fotografieren.

Auf dem Weg durch eine ziemlich belebte Straße wurden wir von einem Einheimischen angesprochen, der uns gleich in seine Bar bat und jedem von uns als Beweis seiner Gastfreundschaft eine kubanische Zigarre schenkte. Ob es sich hierbei um eine echte Havanna handelte, kann ich als Laie leider nicht beurteilen. Jedenfalls stellte sich heraus, dass er einige Zeit in der ehemaligen DDR gelebt und dort auch sehr gut unsere Sprache gelernt hatte. Leider hatten wir für ihn keine deutschsprachige Zeitung dabei, die er gern gelesen hätte, wie er sagte. Wir tranken dort mal wieder einen leckeren Mojito und verab-schiedeten uns nach einem Weilchen aus der kubanischen Bar mit der deutschen Kuckucksuhr aus Plastik.

Weiter gingen wir in der prallen Sonne zur Apotheke und die lustigen Getränke in der Blutbahn ließen uns ein wenig träge erscheinen, was aber eindeutig nur an der Sonne lag, wie ich immer wieder erwähnen kann. Unterwegs beobachteten wir eine Mutti, die ihr niedliches Kleines auf dem Schoß mit Lockenschmuck verzierte, und sich, ohne auf ihre Umgebung zu achten, durch nichts und niemanden stören ließ.

Die alte, mit dunklem Holz ausgestattete Apotheke aus dem 19. Jahr-hundert ist gut, ja fast noch original erhalten, und wahrscheinlich seit ihrer Eröffnung in Betrieb.

Jedoch gähnte in den vielen großen Regalen absolute Leere, da es in Kuba unter anderem auch an Medikamenten mangelt. Ein Stückchen weiter machten wir in einem Hinterhof, dessen Vorderhaus so un-scheinbar wirkte, Halt und bestellten uns mit Käse und Schinken be-legte Weißbrotscheiben.
 
Hier unter dem grünen Blätterdach buhlten zwei Pfauenmännchen um ein Pfauenfrauchen und balancierten auf dem Geäst über unseren Köpfen, während eine Band, so wie sie überall in der Stadt zu hören ist, schöne Musik spielte.

Während des Verdauungsspaziergangs sprach uns ein Kutscher an und überredete uns erfolgreich, nachdem wir seinen zuerst vorgeschlagenen Preis noch etwas nach unten korrigiert hatten, zu einer Stadtrundfahrt mit dem Pferdewagen. Anne konnte dem Kutscher direkt auf die Finger schauen, da sie den Platz direkt neben dem Chauffeur auf dem Kutsch-bock besetzen durfte.

Allerdings war es auch ein sehr windiger Platz, so dass Annes Sonnen-mütze von einem Windstoß erfasst und in hohem Bogen davongetragen wurde. Der Fahrer hielt sofort an und nette Leute auf dem Gehweg überreichten Anne ihre Kopfbedeckung.

Während der Stadtrundfahrt kamen wir an den verschiedensten Plätzen und Gebäuden vorbei. So unter anderem auch am Hauptbahn-hof, der seit 1912 mit seiner Renaissance-Fassade und den zwei Türmen als Kopfbahnhof das Tor zur Altstadt im Süden markiert.

Nachdem wir wieder dort abgesetzt wurden, wo wir auf die Karosse gestiegen waren, liefen wir nunmehr auf eigenen Beinen direkt zum farbenfrohen und belebten „Plaza de la Catedral“, wo Frauen in ihren bunten Kleidern und Blumen Touristen bezirzten, um mit ihnen fotografiert und anschließend dafür bezahlt werden zu wollen.

Dort, wo sich heute einer der schönsten Plätze Havannas erstreckt, war ursprünglich ein Sumpf. Nachdem er trockengelegt war, baute man dort das Chorro-Aquädukt, die erste Wasserversorgung der Neuen Welt. Bis ins 18. Jahrhundert waren der Platz am Rande der damaligen Siedlung und seine Umgebung ziemlich verrufen. Das änderte sich erst, als 1704 die Jesuiten eine kleine Missionskirche errichteten. Die Seiten-schiffe und die Barockfassade kamen erst später hinzu. Erst 1789 wurde der Bau mit seiner Muschelfassade und den zwei unterschiedlich hohen Glockentürmen beendet, und die Hauptkirche Havannas zog in die Kathedrale um. 1767 wurden die Jesuiten aus Kuba vertrieben, und die Fertigstellung der Kathedrale lief unter der Oberherrschaft des Königs von Spanien.

Von 1796 bis 1898 ruhten im Hauptschiff die Gebeine von Christoph Kolumbus. Am Ende ihrer Herrschaft nahmen die Spanier sie jedoch mit nach Sevilla, wo sie allerdings heute auch nicht mehr sind.

Der Kathedrale gegenüber erhebt sich der Palast des Grafen von Bayona, in dem einst die Rumfabrik Havana-Club ihren Sitz hatte. 1720 errichtet, ist der Palast das älteste Bauwerk am Platz. Heute zeigt hier das „Museo de Arte Colonial ein Panorama der kreolischen Lebens-kunst. Das Eckgebäude links vom Kolonialmuseum ist das frühere Badehaus.

Im 16. Jahrhundert stand hier eine Zisterne und erst im 19. Jahrhundert wurde das Badehaus an dieser Stelle gebaut. Die Fassade im neo-barocken Stil wurde 1931 hinzugefügt. Heute sind hier eine Kunst-galerie und ein Laden für Kunsthandwerk eingerichtet.

Nur wenige Schritte links von der Kathedrale zweigt die „Calle Empedrado“ ab. Sie heißt so, weil sie als eine der ersten Straßen Havannas ein Kopfsteinpflaster hatte.

Hier liegt „La Bodeguita del Medio“, eine der legendärsten Kneipen Kubas.

Ursprünglich nahmen hier die Arbeiter aus den umliegenden Druckereien ihr Mittagessen ein, doch bald zog die Bodeguita auch Dichter und Intellektuelle magisch an.

Heute drängen sich aber vor allem Touristen an der berühmten Bar. Ernest Hemingway, der Schöpfer von "Der alte Mann und das Meer" und "Verdammt in alle Ewigkeit", war in Sachen Cocktails Experte, und der Mojito aus der Bodeguita war eines seiner Lieblingsgetränke.

Alle Wände der Bar sind mit unzähligen Unterschriften und Wid-mungen von Touristen und Berühmtheiten versehen, einige sogar ge-rahmt und unter Glas ausgestellt.

Fotos und der handgeschriebener Spruch „My mojito in La Bodeguita, My daiquiri in El Floridita“ mit der originalen Unterschrift an der Bar im Erdgeschoss der mehretagigen Bar erinnern an Ernest Hemingway.

Jedoch verkniffen wir es uns hier, einen weiteren Mojito zu trinken, wegen der Sonne versteht sich, und schauten uns derweil ein wenig in dem eindrucksvollen Gebäude um.

Unser Nachhauseweg führte uns anschließend über einen Kunst-gegenstandmarkt, auf dem es unter anderem verschiedene, hand-gearbeitete Figuren, aus Früchten gefertigte Musikinstrumente und diverses Spielzeug zu kaufen gab, wo ich auch etwas kaufte, nachdem ich den Preis heruntergehandelt hatte.

Am Malecon, an dem wir zurück in Richtung Hotel liefen, waren die Vorbereitungen für den am Abend wieder stattfindenden Karneval in vollem Gange und Menschenmassen befanden sich auf der breiten, für Autos gesperrten Straße.

Laster mit Bier- und Limonadentanks wurden herangefahren und kleine blaue Häuschen waren an den Straßenrändern einfach direkt über den Gossendeckeln aufgestellt, so dass dort das „Geschäft“ direkt in die Kanalisation befördert werden konnte. Die kleinen Bretterbuden dienten als öffentliche Toiletten und waren gut besucht, obwohl jeder durch einen über dem Fußboden vorhandenen Spalt von ungefähr 30 Zentimetern hineinschauen konnte. Ein Dach gab es dort auch nicht und der Eingang war zudem ohne Türen. Jedoch war das Innere durch eine Sichtschutzwand verdeckt, die allerdings den Geruch nicht abhielt, der in unmittelbarer Umgebung recht unerträglich war.

Nachdem wir also im Hotel angekommen waren und uns frisch gemacht hatten, gingen wir gleich ein Stück der Straße entlang und setzten uns in die nahe gelegene Pizzeria.

Dort war es angenehm kühl und wir bestellten landesuntypisch Pizza und Getränke, die allesamt dennoch sehr lecker schmeckten. Ein paar Musiker spielten auch hier wieder die typischen und allseits bekannten Lieder, die man sich bestellen konnte und dann auch zu hören bekam.

Nachdem wir unsere Teller geleert hatten und auf die Rechnung warteten, bastelten unsere Frauen aus den Servietten kleine Papier-schiffchen für mich, die ich jedoch leider zurücklassen musste.

Als wir uns schon gut mehr als 30 Meter von der Gaststube entfernt hatten, kam uns die Bedienung hinterher gerannt und verlangte noch mehr Geld, da sie die Speise von Ina nicht mit auf die schon bezahlte Rechnung geschrieben hatte. Arnulf bezahlte und wir konnten unseren Verdauungsspaziergang zum Hotel „Havanna Libre“ fortsetzen.

Das ehemalige Hilton-Hotel von 1958, welches gleich nach der Re-volution von den siegreichen Rebellen besetzt und sogar für mehrere Monate zum Regierungssitz von Fidel Castro umfunktioniert wurde, wurde in den neunziger Jahren umfangreich renoviert und besteht aus einer großen Empfangshalle und verfügt über 25 Stockwerke, die wir in ganzer Höhe mit dem Aufzug durchfuhren. Anne jedoch hatte an der Fahrt keine so richtige Freude, weil Rudolf den Aufzug aller drei bis vier Etagen anhalten ließ. Oben angekommen fuhren wir wieder fünf Etagen tiefer, weil sich dort die Gelegenheit bot, aus der 20. Etage prima über ganz Havanna bei Nacht zu blicken.

Leider konnte ich hier nur zwei Fotos schießen, da ich keinen Ersatz-akku bei mir trug und der andere Akku seinen Geist nach einem abermals für ihn arbeitsreichen Tag aufgab.

Den letzten Abend auf der Insel ließen die drei Herren wieder im Hotel - wie bereits am Vorabend - bei einem Schlückchen leichten Bier aus-klingen.
 
der Tag 6 beginnt nochmal mit einer kurzen Episode, dann geht es nach Mexiko.
Und nun nochmals die Frage an die Tsunamigesellschaft und Altmitglieder, besteht Interesse an einer Fortsetzung des Berichtes über den weiteren Reiseverlauf in Mexiko? Vorsicht....es kann gefährlich werden....in Mexiko.
 
Ich würde mich über einen weiteren Bericht freuen. NWN
 

Tag Sieben: Havanna - Mexiko Stadt​



Wie die Tage zuvor trafen wir uns zum Frühstück im Speisesaal des Hotels und nahmen unser letztes kubanisches Frühstück während dieser Reise ein. Wir packten unsere Koffer und Taschen, verließen die Hotelzimmer und übergaben den ganzen Haufen Gepäckstücke dem Kofferträger, der sie in einem abgeschlossenen Raum des Hotels bis zu unserer Abholung verwahrte.

Diesmal erkundeten wir den Malecon in anderer Richtung und be-wegten uns stadtauswärts, vorbei an der amerikanischen Botschaft, vor der große Plakate mit einem riesigen roten Hakenkreuz auf schwarzem Grund und einem Poster von G. W. Bush mit Hitlerschnauzbart prangten, was so viel wie "Faschisten made in USA" bedeuten sollte.

Das sozialistische Kuba unterhält seit 1961 keine normalen diplomatischen Beziehungen zu den USA. Zwischen den beiden Ländern kommt es immer wieder zu Spannungen. So ist es derzeit auch, dass Schiffe, die an einem kubanischen Hafen lagen, für mindestens sechs Monate keinen US-amerikanischen Hafen anlaufen dürfen.

Auf einem etwas größeren Trödelmarkt schauten wir uns ein wenig um und Ina und Rudolf wurden bei einem Künstler fündig, der eine sehr schöne, moderne, handgefertigte Schnitzerei feilzubieten hatte, die er-folgreich um ein Fünftel des ursprünglichen Preises heruntergehandelt und auch gekauft wurde.

Da wir wieder den ganzen Weg hätten zurück laufen müssen, ent-schlossen wir kurzerhand, uns mit dem so genannten „Coco-Taxi“, einer als Apfelsine verkleideten Vespa, zum Hotel zurückbringen zu lassen.

Da es im Inneren dieses Gefährts so eng ist, dass außer dem Fahrer nur noch zwei Erwachsene mitfahren können, orderten wir drei dieser knatternden Fuhrwerke, die sich mit uns an Bord auf der Strasse des Malecon gegenseitig ein Rennen lieferten.

Die restliche Zeit bis zur Ankunft des Flughafenzubringers über-brückten wir, indem wir uns kurz an den Pool im Innenhof des Hotels setzten.

Als das Transferfahrzeug angekommen war, wurden unsere Koffer und Taschen vom Hotelpersonal auf dem Kofferwagen vorgefahren und wir nahmen unser Gepäck entgegen.

Als Betti ihren Rucksack nahm, hätte sie ihn am liebsten gleich wieder fallen gelassen, denn in seinem Inneren zitterte und wackelte es eigenartig.

Es stellte sich heraus, dass Arnulfs batteriebetriebener Rasierapparat eingeschaltet war. Nach der ersten Schrecksekunde lachten wir darüber und packten die Sachen in das auf uns wartende Auto, welches uns unverzüglich zum Flughafen brachte.

Die Passagierabfertigung auf dem Flughafen zog sich ewig hin. Aber da unser Flug sowieso, wie wir vor Ort feststellen mussten, um eine halbe Stunden nach hinten verschoben worden war, machte uns das gar nichts aus und wir hatten absolut keinen Grund in Hektik zu verfallen. Wir warteten im Flughafengebäude in der riesigen Glashaupthalle, die mit den vielen bunten Fahnen der verschiedensten Nationen aus-geschmückt war.

Während der Zeit des Wartens kauften und aßen wir wieder angenehme Weißbrottoasts, die mit Schinken und Käse belegt waren. Im zollfreien Supermarkt nutzten wir auch die letzte Möglichkeit, echten kubanischen Rum als Mitbringsel zu erwerben und mitzu-nehmen - im Gegensatz zu den ebenfalls dort gekauften, gut schmeckenden Keksen, die sofort in unseren Bäuchen verschwanden und nie wieder gesehen wurden.

Während des relativ kurzen Flugs von Havanna nach Mexiko-Stadt, der stellenweise recht holperig verlief, da es einige dicke Wolken zu durchfliegen galt, blickte ich auf eine schöne, wenn auch relativ schnell vergangene Zeit auf Kuba zurück.

Für Touristen hat Kuba viel Sonne, Strände, Kultur und (s)eine interessante Geschichte zu bieten, aber vor allem Nostalgie und alt-kolonistischen Reichtum.

Kuba ist übrigens nur 1250 Kilometer lang und maximal 110 Kilometer breit, so dass es von jedem Ort der Insel nicht weiter als rund 50 Kilometer bis zum nächsten Strand ist.
 
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