Ich verstehe ebenfalls die Intention nicht, warum es wichtig ist ob es in dieser Periode schlechter war als es derzeit ist, oder nicht? Meine Beobachtung ist, dass es eine Vielzahl von Möglichkeiten gibt, welche vorher nicht bestanden. Aber wie immer ist es wohl differenzierter zu sehen. So weit ich es kenne, gab es bisher noch keine derartig hohe Fluchtbewegung aus Kuba. Und was mich sehr bewegt, es scheint eine Veränderung in den Beweggründen zu geben. In meinem kubanischen Bekanntenkreis verlassen gerade Personen das Land, von denen es wohl vorher niemand erwartet hatte. Nicht weil sie eine Illusion von einem Schlaraffenland hegen, sondern einfach, weil sie müde vom täglichen Überlebenskampf, ohne Aussicht auf eine Verbesserung sind. Als "leidgeprüfter" Deutscher, welcher sich gerade eben noch, mit Mühe und Not zwei Kubareisen pro Jahr leisten kann, weiß ich die Situation natürlich nicht zu bewerten. Aber es gibt ein paar wenige Dinge, welche ich im Umfeld meiner Kontakte, in diesem micro-kleinen Kosmos beobachten konnte.
Da ist das Pärchen, welche sich mit zwiespältigen Gefühlen auf den Weg in die USA gemacht hat. Zwiespältig weil sie zum einen Ihrer erwachsen Tochter, welche sich bereits in den USA aufhält, helfen wollen und andererseits aber die eigene schon betagte Mutter nur ungerne zurück lassen wollen. Derzeit befinden sie sich gerade in Mexiko und posten ein Foto, ...von? Nein..., nicht von Goldkettchen und protzigem Amischlitten, sondern von einem halbwegs vollem Kühlschrank. Obwohl, die anderen Bilder kenne ich auch zu Genüge. Da ist die Mutter, welche von ihrem Freund oder Lebenspartner, ständig an irgendwelchen Pools, oder vor Muscle Cars posierend, in Szene gesetzt wird. Etliche Milliliter Silikon in der oberen Bildhälfte, werten das Panorama auf. Aber ich kenne Ihre beiden Kinder, welche bei der Großmutter in Kuba zurück geblieben sind und sich ab und zu mal über eine Sendung mit ein paar Schuhen oder Lebensmitteln freuen dürfen. Was mögen die von den Bildern halten? Ob es da vielleicht auch einen Zusammenhang gibt, dass sich der zwölfjährige Junge hin und wieder, etwas auffällig aggressiv verhält? Nein, ich bin kein Psychologe, aber es gibt Verhaltensweisen, welche sich auf die Situation im familiären Umfeld beziehen lassen. Was ist mit der alleinstehenden Mutter, welche in dem kleinen Pueblo lebt, in welchem auch meine Frau lebt? Hinter der vorgehalten Hand erzählen die Dorfbewohner sich, dass diese Frau gegen Gefälligkeiten, kleine Liebesdienste erwiedert. Die dreizehnjährige Tochter, scheint dem in nichts nachzustehen. Ist das einer der Gründe, warum viele ältere Männer von den paradiesischen Zuständen in Kuba schwärmen? Nein, natürlich sind das alles nur vereinzelte Beispiele und lassen sich garantiert nicht verallgemeinern. Aber auch der junge Vater, welcher in wenigen Wochen versuchen wird in den USA etwas Geld zu verdienen, um seine auf Kuba lebenden Frau und deren gemeinsames Kleinkind zu unterstützen und etwas bessere Lebensverhältnisse zu bieten, zeigt auf, wie es derzeit bestellt ist. Mein Schwiegereltern haben Ihr Leben lang rechtschaffen gearbeitet und müssen jetzt zusehen, wie die Inflation und der ständige Wertverlust des Pesos, Ihre Rente vernichten. Was ist mit der Nachbarin, die bei uns vorbei schaut und sich glücklich mit einem Paket Spaghetti welches sie geschenkt bekommen hat verabschiedet? Das ist die tägliche Realität, wie ich sie auf Kuba kennen lernen kann. Natürlich, da sind auch jene Personen, welche einen neuen Mercedes Benz durch die Gegend fahren. Da sind auch all jene, die Angebote von Kühlschränken, Gefriertruhen, Fernsehgeräten usw. auf Revolico und diversen Facebookgruppen posten. Das sind die gleichen Geräte, welche zuvor in den MLC- Geschäften standen. Versteht sich, dass die im Weiterverkauf nicht günstiger geworden sind. Da funktioniert der Kapitalismus im Sozialismus schon perfekt. Aber das ist auch keine neue Erkenntniss. Die eigentliche Idee, von einer gleichmäßigeren Verteilung und Teilhabe, hat noch nie nach den ursprünglichen Überlegungen, eines Engels oder einer Rosa von Luxemburg funktioniert. Die Geschichte ist voll von den Beispielen, der besseren Kommunisten, welche sich riesige Regierungsresidenzen erbauen ließen, oder sich zufällig die erlesensten Grundstücke des Volkseigentums aneigneten. Die Wahrheit ist, ich kenne keine Lösung und ich glaube auch an keine. Es gibt Menschen die echten Hunger haben und solche, die Lebensmittel verschwenden. Ich lebe nur zufällig in diesem kleinen Kosmos. Was ich habe, versuche ich einzusetzen, um das Leben meiner Familie etwas zu erleichtern. Vielleicht auch um der Zukunft des Mädchens meiner Frau, eine etwas bessere Ausgangsposition zu verschaffen. Dafür bekomme ich das Gefühl um deren Zuneigung und das Wissen um einige glückliche Kindheitstage, wenn der Onkel aus Deutschland, mal wieder Schokolade, Lutscher, Bekleidung, Schuhe und Spielzeug schickt. Vielleicht trägt mir später auch einmal jemand ein Glas Wasser zu, wenn ich bereit bin für immer zu gehen und selber zu schwach geworden bin.