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Naja Chris, du magst recht haben mit den Plünderern usw, daß gehört sich nicht und sollte auch hart bestraft werden wenn man diese Leute erwischt. Viel mehr sollte man sich die Frage stellen, warum sind die Kubaner auf die Straße gegangen, weil sie einfach die Schnauze gestrichen voll haben und recht haben sie, wir würden das bestimmt auch tun. Aber mal eine Frage an dich(und bitte nicht persönlich nehmen, es ist nur eine Frage). Habe deine ganzen Beiträge zu diesem Thema von dir seit einiger Zeit durchgelesen. Dabei ist mir aufgefallen, daß du scheinbar dagegen bist, daß die Menschen auf die Straße gegangen sind um vielleicht endlich mal für ein besseres Leben zu demonstrieren, denn irgendwie redest du immer dagegen oder verteidigst gar das System, so zumindest habe ich den Eindruck, ich lasse mich gerne berichtigen Da ich dich als Moderator schätze(kann nicht jeder in einem Forum), und du auch immer Tips, Hilfestellungen und sonstige Sachen zügig beantwortest(bestimmt sehen das auch hier viele Nutzer so), war und bin ich etwas irritiert und frage deshalb nach
Hallo Bluefire,
ich habe überhaupt kein Problem damit, dass Du mich das frägst
und ich versuche gerne einmal zu erklären, wie ich zu meinen Einschätzungen komme.
Punkt 1:
ich bin und war immer schon in gewisser Hinsicht ein Realist und ich versuche eine Sache erstmal von allen Seiten anzusehen und bilde mir dann eine Meinung zu einem Thema. Das habe ich so auf der Uni gelernt, als ich Archäologie studiert habe, auch da ist es wichtig aus vielen Einzel-Facetten und Puzzle-Teilen sich ein Bild zusammen zu setzen.
Punkt 2:
Lebenserfahrung ist nicht unwichtig, gerade bei mir. Ich hatte das unverschämte Glück schon viele verschiedene Staatsformen selbst zu erleben, und zwar nicht nur als Tourist sondern durch dort Leben und meine Arbeit. Ich war familiär zum Beispiel in den Jugoslawien-Bürgerkrieg involviert, da meine erste Frau halb Serbin (Mutter) und halb Kroatin (Vater) war. Ich konnte mit eigenen Augen sehen was dort passiert ist und wie es die Menschen verändert hat! Ich habe auch einige Jahre (Ende der achtziger Jahre, Anfang der Neunziger) im Orient als Archäologe gearbeitet, hauptsächlich damals unter Saddam Hussein, und ich habe dort im Zuge des USA-Feldzuges und der nachgehenden Säuberungen durch Saddam Dinge gesehen, die ich eigentlich niemanden wünsche zu sehen.
Dadurch hat sich bei mir eine gewisse Grundhaltung herausgebildet bezüglich welche Art zu Leben ich bevorzuge und welche nicht. Vor allem aber habe ich festgestellt, wie sehr Medien Dinge manipulieren und beeinflussen können, und zwar leider nicht immer nur zum Guten! Während die einen ganz offensichtlich nicht die Wahrheit sagen, machen es die anderen wesentlich subtiler, und manchmal sind Halbwahrheiten und Auslassungen viel schlimmer in Ihren Folgen, als ganz offensichtliche Lügen!
Punkt 3:
Wie sehe ich mich politisch? Ich bin - auch wenn das vielleicht Einigen verrückt erscheinen mag - eine Mischung aus Helmut Schmidt, Willy Brandt und Herbert Wehner ... Die haben mich in meiner Kindheit, meiner Jugend und als junger Erwachsener geprägt, heutige Politiker finde ich mit Verlaub besch....
Punkt 4:
Kuba und sein System sehe ich durchaus nicht positiv, aber ich habe auf dieser Welt eben auch schon viel schlimmere Dinge gesehen! Und Änderungen sind notwendig, aber nicht durch das Hau-Ruck-Verfahren. Das würde nicht gut gehen. Vielmehr hoffe ich auf einen friedlichen Wandel durch Annäherung, die letzten Obama-Jahre hatten mich da eigentlich hoffen lassen. Ich bin friedlichen Protesten gegenüber durchaus nicht abgeneigt, aber leider lassen sich einige hier instrumentalisieren, und das dient nicht der Sache! Das mit den Plünderungen ging schon am Vormittag los, dass da jede Staatsmacht "nervös" wird und auch die Muskeln spielen lässt ist aus meiner Sicht unvermeidlich!
Aber das was ich hier an Polizweigewalt gesehen habe, ist - man mag es mir verzeihen oder nicht - Kindergarten im Vergleich zu anderen Demos, die ich auf der Welt schon mitbekommen habe (Wackersdorf, Startbahn West, Nato-Doppelbeschluss, G7-Gipfel, oder vor allem aktuelle Demos in anderen lateinamerikanischen Staaten). Wer hier in Kuba von "Mördern", "Schlächtern", "Massakrieren" und "brutalster Repression" spricht hat noch nicht viel gesehen in seinem Leben. Sorry
Ich persönlich sehe die Politik der USA gegenüber Kuba als Hauptursache des Übels, auch wenn ich die "innere Blockade" durchaus sehe und für nicht gut befinde. Aber ich habe eben auch gesehen, was schon der Wegfall von einigen wenigen Blockadepunkten von aussen Positives hier in Kuba bewirken kann. Und je mehr Öffnung da wäre, desto besser wäre das Leben hier und dann könnten auch andere interne Reformen leichter angestossen werden, auch hin zu mehr Demokratie.
Punkt 5:
Kuba gehört den Kubanern, und die müssen selber darüber entscheiden können was sie wollen. Einmischung von aussen ist da nicht förderlich. Jeder, der sich vor den Wagen von anderen spannen lässt, ist dem eigentlichen Prozess, ein friedliches und prosperierenderes Kuba zu erhalten hinderlich.
Ich möchte keinen gewaltsamen Wandel hier, und noch viel weniger, wenn man noch nichtmal eine Lösung für das danach hat! Der Wandel muss durch (wenn auch langsame) Annäherung stattfinden, und alle müssen mitgenommen werden und sich akzeptiert und respektiert fühlen können! Das ist ein langwieriger Prozess und geht nicht auf Knopfdruck.
Noch Fragen?
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