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Agrarreform in Kuba

guajiro

Camaján
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Aus dem Festivalthread heraus

fände ich es interessant zu wissen, wie das überhaupt damals mit dem Einwanderungsstatus nach 1959 weiterging. Falls es zu der Zeit tatsächlich ein- und ausreisende Saisonarbeiter*innen gab wie @ElHombreBlanco vermutet, ist es für mich unklar, ob diese überhaupt von der Bodenreform profitieren konnten, wenn sie keine kubanische Staatsbürgerschaft besaßen. Die Vergabe einteigneten Besitzes lief ja unter Nationalisierung der Produktionsmittel und sollte den Einheimischen zugute kommen. Vielleicht kennt ja jemand aussagekräftige Arbeiten dazu?
 
Einer Arbeit zur Einwanderung aus Haiti/Jamaika nach Kuba/DomRep nach gelangten - v.a. durch die steigende Zuckernachfrage mit dem 1. Weltkrieg - im Zeitraum von 1900 bis 1931 zwischen 200000 und 500000 Arbeitsimmigranten von Haiti nach Kuba, um dort auf den Plantagen zu arbeiten.
Die Wohnsituation war erbärmlich, es ist die Rede von selbstgebauten Hütten aus Ästen, die mit Palmenblättern bedeckt waren oder Baracken, die sie sich mit Hunden teilten. Die Vertragsarbeiter mussten die Überfahrt in Raten abzahlen, Besitz in Haiti diente oft als Sicherheit für den Vermittler. Die große Mehrzahl waren Männer, es wurde aber auch junge Frauen vermittelt. Angeworben für zum Beispiel das Ausbessern von Kleidung, wurden sie von den Vermittlern an haitianische Männer als deren persönliche Ehefrau verkauft oder mussten sich allgemein prostituieren.
1921 wurde als Folge der Absatzkrise ein Gesetz zur Abschiebung zurück nach Haiti erlassen. Dem wollten wohl v.a. diejenigen folgen, denen es durch längeren Aufenthalt gelungen war, ihren materiellen Status zu verbessern, neben Ersparnissen aus dem Lohn, besserten sie ihre Lage auch durch Ausnutzung von Neuankömmlingen aus. Männer aus dieser Gruppe reisten auch vorher immer mal nach Haiti und wieder zurück, u.a. deshalb schwankt die angegebene Gesamtzahl so extrem.
1933 folgte ein Gesetz zur obligatorischen Ausweisung arbeitsloser und sich illegal im Land aufhaltender Ausländer. Die Rückkehr wurde so für etwa 8000 Männer, Frauen und Kinder Realität. Andere entzogen sich dem fünf Jahre geltenden Gesetz durch Flucht in die Wälder wie früher entlaufene Sklaven. Wie damals gab es auch wieder Kopfgelder für Aufgegriffene.
1928 verbot Haiti per Gesetz die Arbeitsimmigration nach Kuba. Die Plantagenbesitzer in Kuba ermöglichten vielen Haitianern das Bleiben trotz der Abschiebungsgesetze, indem sie sie als verschwunden meldeten, sie aber weiter auf ihren Besitzungen duldeten.
Wie und wann diese die kubanische Staatsbürgerschaft bekamen, dazu wird leider nichts gesagt.
 
Hier ist neben weiteren Zahlen zu Abschiebungen zu lesen, dass 1953 in der letzten Volkzählung vor der Revolution 27543 Personen - zum großen Teil Männer - haitianische Wurzeln hatten. 1970 wurden noch 22579 gezählt.
Ein Hinweis auf die Einbürgerung ist auch zu finden, mit der Verfassung von 1940 galten in Kuba geborene als Kubaner, was also zunächst mal die Kinder der direkt aus Haiti Gekommenen betraf.
 
Zuletzt bearbeitet:
Nicht uniteressant, was du so auftreibst. Aber ich erinnere mich dunkel daran, dass du Belege dafür liefern wolltest, dass haitanische Wanderarbeiter in kubanischen Diensten von der Revolution profitiert hätten, indem sie im Zuge der Agrarreformen Land zur privaten Bewirtschaftung erhalten hätten.
 
Wie schon mal gesagt, konnten allgemein diejenigen, die Land bearbeiteten aber es nicht besaßen, mit der Bodenreform Eigentümer werden. Und zwar als Einzelperson oder als Mitglied von Kooperativen. Letzterer Versuch funktionierte allerdings nicht und wurde wieder aufgegeben.

Ich gehe davon aus, dass die aus Haiti Eingewanderten und 1959 noch in Kuba Verbliebenen, aufgrund der Vorgeschichte zu denen gehörten, die von den ersten Entscheidungen der Bodenreform profitieren konnten. Was soll dagegen sprechen?

Ich bezweifele allerdings im Rahmen einer Internetrecherche eine Quelle zu finden, in der die von der Bodenreform Profitierenden mit ihrer ethnischen Herkunft genannt sind. Dafür müsste man wohl zwei Quellenarten miteinander vergleichen und zwar eben diese mit Angaben zur Bodenreform, die es sicher in einem Archiv vor Ort gibt und dann zu den dort Genannten familiengeschichtliche Quellen befragen.

Aber vielleicht hat genau das schon mal jemand gemacht und dazu publiziert. Eventuell findet ja auch @Alemanita auf dem Festival dazu weitere Infos und teilt sie hier mit uns.
 
Hier gibt es einen kurzen Überblick zu den kulturellen Spuren der haitianischen Einwanderung im gesamtkubanischen „Eintopf“. Neben Architektur, Religion, Sprache und Musik ist auch die Rede von Speisen wie „pimienta dulce, el chayote, el @Quimbombó, el maíz, el fríjol, etc“. Chayote war mir bisher nicht bekannt.

In dem Text und anderswo werden die Einwanderer der zweiten Welle nach dem 1. Weltkrieg auch als Sklaven neuen Typs bezeichnet. Gründe dafür sind ihre prekäre wirtschaftlichen Lage in der Abhängigkeit von der Willkürherrschaft der Großgrundbesitzer und die Diskriminierung durch die restliche kubanische Bevölkerung. Das sollte nicht vergessen werden, wenn man sich ein reelles Bild der ländlichen Bevölkerung vor der Revolution machen möchte.
 
Ein Blick in die Verfassung von 1940 zeigt, dass die 1959 in Kuba lebenden haitianischen Einwanderer die kubanische Staatsbürgerschaft haben und so von an der "nationalisierenden" Bodenreform profitieren konnten. Neben den in Kuba Geborenen oder mit Kubaner*innen Verheiratete konnten sich auch dort mindestens fünf Jahre Ansässige einbürgern lassen.

Erstmal sehe ich also keinen Grund, warum eingewanderte Menschen aus Haiti nicht zu den rund 150000 Profiteuren der Bodenreform 1959 gehört haben sollten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Offen bleibt allerdings, wie und in welchem Ausmaß diese Möglichkeiten zur Einbürgerung tatsächlich genutzt wurden. Antonio Nuñez Jimenez, der die Bodenreform als zuständiger Minister zu Beginn mit umgesetzt hat, schrieb 1960 in "Esquema de la Historia de la Reforma Agraria Cubana" (auf deutsch als "Die Bodenreform auf Kuba" 1961 erschienen) über die Eingewanderten: "Ich möchte hier noch kurz etwas erläutern. Fidel Castro und ich unterzeichneten vor kurzem einen offiziellen Beschluß der INRA, durch den wir Ausländern in unserem Lande das Recht auf Grundbesitz gewähren. Aber es geht nicht um ausländische Monopolherren, Latifundienbesitzer und Landaufkäufer. Es handelt sich um die einfachen armen Bauern, die von Haiti und Jamaika sowie aus anderen Ländern stammen und auf Kuba vielerorts ihre kleinen Parzellen bearbeiten. Diese Bauern sind in ihrer Mehrheit als billige Arbeitskräfte zur Zeit der Zuckerkonjunktur während des ersten Weltkrieges von den Latifundienbesitzern nach Kuba gebracht worden. So sind beispielsweise Haitianer, die sich im Zuckeranbaugebiet im Osten der Insel und anderswo angesiedelt haben, von den Latifundienbesitzern hergebracht worden, um sie gegen die kubanischen Arbeiter auszuspielen, deren Lebensniveau etwas höhrer war. Demnach sind diese Menschen aus Haiti und Jamaika als Sklaven nach Kuba gekommen. Eben diesen Bauern wird das Recht gewährt, ständig in unserem Lande zu leben. Wir gewähren ihnen das Recht, kostenfrei kubanische Bürger zu werden, und geben ihnen überdies Boden genauso wie den anderen Werktätigen, weil unsere Revolution nicht egoistisch ist und unser Land allen in anderen Ländern geborenen Menschen offensteht."
 
Das folgende entstammt aus einem Zeitungsartikel von 1914 und zeigt noch einmal deutlich, dass die Behauptung vor 1959 konnte sich Kuba aufgrund des tollen kapitalistischen Systems selbst mit landwirtschaftlichen Produkten versorgen, nichts als Gusano-Fakenews zur Diffamierung der Revolution sind:
IMG_1974.jpeg
Dass die Selbstversorgung auch damals als anstrebenswert galt, steht ja auf einem anderen Blatt.
(aus Facebook)
 
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