Ja, das definiert für mich den Unterschied zwischen Flucht und Migration ganz gut.Ich kenne die Branche gut und hab selbiges studiert, nur auf der anderen Seite der Mauer angefangen und abgeschlossen. Da war sie allerdings schon weg.
Und nein, als Wirtschaftsflüchtling würde ich dich nicht bezeichnen. Flucht setzt etwas Übles am Ausgangspunkt voraus. Das drohte dir offenbar nicht. Du hattest nur anderswo bessere Chancen.
Flucht bedeutet, man MUSS weg, weil man ein Verbleiben nicht mehr aushält. Und ja, diese Frustrationstoleranz des Aushaltens (z.B. bei Wirtschaftsflüchtlingen) ist individuell und subjektiv. Jedenfalls als unstrittige Fluchtgründe dürften Kriege, sonstige Gefahr für Leib und Leben (z.B. Bandenkriminalität in mittelamerikanischen failed states) ) oder drohende Inhaftierung aufgrund politischer Verfolgung oder zusammengebrochene Grundversorgung (Essen, Medizin) gelten.
Migration hingegen bedeutet, man muss ODER WILL woandershin hin, aus welchem Gründen auch immer.
Bei Flucht steht das WEGMÜSSEN im Vordergrund, bei Migration das DORTHINWOLLEN. Der Übergang ist fließend, oft will/muss man weg UND will woanders hin. Flucht ist also nur eines von vielen möglichen Migrationsmotiven, aber natürlich das dringendste.
Zurück zu den unzähligen Cuba-Ausreisewünschen . Die allermeisten Ausreisewünsche beruhen weder auf beschriebener Gefahr für Leib und Leben noch auf politischer Verfolgung. Insofern sind es für mich eher kubanische Wirtschaftsmigranten, die sich woanders ein besseres Leben erhoffen. Aber irgendwann wird fehlende Grundversorgung (Essen, Medizin) auch zur ernsthaften Gefahr für Leib und Leben, und dann wird es zur humanitären Verpflichtung für andere Länder, zu helfen.
Aus Sicht des angestrebten/aufnehmenden Ziellandes allerdings ist die Unterscheidung sehr wohl wichtig.
Kriegsflüchtlingen z.B. aus der Ost-Ukraine müssen wir m.E. helfen. Über Wirtschaftsmigranten aus manch anderen, eher politisch stabilen und „sicheren“ Ländern, denen es als Transferempfängern in Dtl. besser geht gegenüber einer Vollzeitarbeit in ihren Heimatländern und die sich in Deutschland nicht integrieren wollen und auch nicht arbeiten wollen, gibt es unterschiedliche Gedanken, z.T. auch je nach politischer Couleur.
Analog stellen sich diese politischen Fragen auch für die USA/Cuba-Migration.
Insofern ist die Unterscheidung zwischen Flucht und Migration nicht nur eine „akademische“ Definitionsfrage, sondern auch eine politisch notwendige Differenzierung.
Eine sehr menschenverachtende Theorie über die US-Strategie, aber vielleicht eine nicht ganz von der Hand zu weisende These erzählte mir ein US-Amerikaner in diesem Zusammenhang. Ohne die Migranten von der Grenze zu Mexico würde zumindest in den US-Südstaaten die Wirtschaft sehr schnell zusammenbrechen. Insofern möchte man seitens der USA an der Grenze die Einwanderung soweit erschweren, dass nur noch körperlich und/oder finanziell leistungsfähige Menschen einwandern, aber sonst kaum mehr jemand. Sinnbildlich: wer also den Rio Grande schwimmend überqueren kann, wird geduldet. Die anderen sollen wegbleiben.