Ein Rätsel, das ich nicht annähernd lösen konnte, ist die Frage, wie der normale Kubaner „über“lebt. Das monatliche Salär von 15 bis 20 CUC (berichtigt mich) kann dazu doch wirklich nicht reichen. Selbst, wenn er mit Bezugsscheinen Grundnahrungsmittel verbilligt einkaufen kann.
Da stellt sich gleich noch eine Frage. Welcher ökonomisch denkende Kubaner verschwendet so viel Zeit für dieses magere Monatsalär? Jedenfalls dann, wenn er Gelegenheit hat auf irgendeine Art im gewaltigen Touristenstrom zu fischen?
Besteht in irgendeiner Form eine Arbeitspflicht? Muss man einen offiziellen „Erstberuf“ haben und kann dann erst einer lukrativeren Zweit- oder Drittbeschäftigung nachgehen? Fragen über Fragen, die nach einem Kubaurlaub so kommen.
Bleiben wir erst einmal beim Bild vom im Touristenstrom fischenden Kubaner. Obwohl, so ganz trifft das Bild bei genauerer Betrachtung nicht zu. Da gibt es die gewaltigen Touristenansammlungen, vergleichbar mit großen Lachsaufzuchtfarmen in norwegischen Fjorden; all die großen All-Inclusive-Anlagen, wie beispielsweise Varadero. Da dürfte der „gemeine“ Cubaner aber nur wenig Gelegenheit haben, seine Angel auszuwerfen. Da fischt der Staat. Wobei schon das Eintrittsgeld (Registrierungskarte) als auch das „Austrittsgeld“ (Ausreisegebühr) nicht die Angler sondern die Fische/Touristen zahlen müssen.
Für den einzelnen Cubaner bleiben aber die reichen Fischgründe an den touristischen Hotspots (beispielsweise Havanna, Vinales, Trinidad ….) und natürlich an deren Verbindungswegen. Je weiter ein Cubaner von diesen Hotspots entfernt lebt, desto größer ist prinzipiell sein Standortnachteil. Aber selbst in einsameren Bergregionen bietet sich noch die eine oder andere Gelegenheit.
Die Fische/Touristen sind da, nur wie davon partizipieren?
Die besten Möglichkeiten haben Casa- oder Autobesitzer, die aufgrund ihres Besitzstandes dem Touristen entsprechende Dienstleistungen anbieten können. Natürlich vergibt der Staat da „Angelscheine“, man benötigt also eine staatliche Lizenz. Die kostet bei einer Casa einen monatlichen Betrag, unabhängig davon, ob ein Umsatz getätigt wird oder nicht.
Hat ein Casabesitzer einen Touristen an der Angel, wird er natürlich Zusatzgeschäfte machen wollen. Frühstück und Abendessen anzubieten liegt da Nahe. Und die eine oder andere Vermittlungsprovision fällt auch an, falls man nicht gleich selbst weitere kleinere Dienstleistungen anbietet sondern diese vermittelt.
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Ja, und da beginnt auch das Gebiet der kubanischen David Copperfields. Die erzeugen die Illusion, sie hätten eine Dienstleistung erbracht oder würden sie erbringen. Die Bandbreite ist groß, drei Beispiele.
Einstieg ist immer ein zögerndes, ein sich orientierendes Verhalten des Touristen.
Casilda. Mal nicht in der Casa essen, daher auf der Suche nach dem Paladar la Marinera. Laut Smartphone und Maps.me sind wir ganz in der Nähe, aber in dieser Straße, in dieser Umgebung ein bei Tripadvisor sehr empfohlenes Restaurant? Lieber noch einmal stehen bleiben, kurz suchend umschauen. Aber halt, da ist es ja schon. Dreißig Meter weiter , auf der linken Seite. Und, da ist er ja auch schon, der Helfer, der Illusionist.
La Marinera? Hellseher ist er also auch.
Ja, sage ich dort drüben und weise zum Lokal.
Wie immer, ist der Restaurantbesitzer ein guter Freund es Illusionisten. Er lässt es sich nicht nehmen, einige Schritte vor uns her zu laufen. Als ich, kleine Spielchen sind erlaubt, stehen bleibe, um mir etwas an der anderen Straßenseite anzusehen, bleibt er auch stehen. Dann die letzten Schritte, er sieht den Restaurantbesitzer im Hofeingang stehen. Er dreht sich zu uns um, gestikuliert, winkt, zeigt auf das Restaurant und nimmt dann Kontakt mit dem Restaurantbesitzer auf. Damit wir uns nicht zum Schluss noch verlaufen, begleitet er uns im überdachten Innenhof fast bis zum Tisch.
Na, urteilen Sie selbst. Muss der Restaurantbesitzer nicht glauben, da seien ihm Gäste „zugeführt“ worden, die sonst vielleicht irgendwo anders ihr Geld ausgegeben hätten?
Trinidad. Eine Straßenecke in der belebten Innenstadt, wir in einem Auto, langsam die Straße entlang fahrend, nach einer Bank Ausschau haltend. Plötzlich springt jemand auf, gibt die sitzend blockierte Straßenecke frei. Springt uns in den Fahrweg und hält ein Pappschild mit der Aufschrift „Parking“ vor die Scheibe. Dabei wild auf „seine“ Straßenecke deutend. Schade nur, dass wir nicht parken wollen.
Einen Kollegen von ihm, haben wir übrigens mal auf einem „Parkplatz“ an einem Strandabschnitt gefunden. Der war nicht immer dort, er hatte ja sicher auch seine Geschäftszeiten. Aber, wenn er dort war, hatte er eine leuchtende Weste an und eine entsprechende Mütze auf. Heftig gestikulierend wies er auf einen bestimmten Platz, daneben war alles frei; einen Parkschein hatte er auchr nie.
Den hatte auch der bunt gekleidete freundliche Herr nicht, der jeden Mittag gegen 2 Uhr an den Strand kam, bewaffnet mit einer großen Geldtasche. Er kassierte 2 CUC. Möglich, dass das sogar „offiziell“ war, denn ich lag auf einer der dort frei herumstehenden Liegen. Aber, keinen Beleg zu erhalten, macht einen Europäer, sofern er von nördlich der Alpen kommt, schon misstrauisch.
Der „Geldeintreiber“ dürfte ja wohl nicht selbst der „Strandbesitzer/Liegenbesitzer “ gewesen sein. Also ich habe mir dann überlegt: Warum nicht um 12 Uhr bereits vorweg einkassieren. Entsprechend verkleidet und mit Quittung natürlich. Ein reisender kubanischer „Kassierer“ käme da bestimmt auf einen sehr guten Monatsverdienst.
Ja, die kubanische Sonne. Da kommt der eine oder andere Gedanke. Fast, wie in Griechenland.
Jetzt merke ich, dass ich ins Plaudern gekommen bin. Eigentlich war ich ja noch in Vinales, mein letzter Beitrag stammte jedenfalls von dort. In Vinales erlebte ich auch die beste Illusionistenshow auf meiner Reise.
Vinales. Am Nachmittag hatte es geregnet, es tröpfelte noch. Wir hatten das Abendessen in der Casa jedoch bereits abgesagt, da wir im Parador Balcone de Valles essen wollten. Also kurz hinein nach Vinales, an die Straßenecke gegenüber der Kirche, dort, wo die Taxen immer stehen.
Nur heute nicht. Keine Taxe weit und breit. Suchend umgesehen, da kommt er schon, der Illusionist. Kurz: Woher, wohin?
Unser Transportproblem will er mit seinem Auto lösen, die vorgeschlagenen 4 CUC sind aber nicht genug. Immerhin sei es bis zum Lokal sehr weit, der Besitzer übrigens ein guter Freund. Als ich ihm auf dem Smartphone den Weg zeige und außerdem, dass es weniger als 3 Kilometer sind, willigt er ein. Wir müssen nur schnell auf die andere Straßenseite und dort ein wenig in die Querstraße. Dort steht ein Auto, er stoppt. Dann ein Gespräch über Deutschland, wobei er aber immer wieder in die Richtung schaut, aus der wir gekommen sind, also zum Taxistand.
Als ich ihm bedeute, wir möchten endlich fahren, ein Eingeständnis. Die Autoschlüssel habe sein Bruder, wir möchten doch bitte zwei Minuten am Auto warten. Er läuft zurück und ist verschwunden. Einige Minuten verrinnen, da sehe ich ihn. Am Taxistand, im Gespräch mit dem Fahrer einer inzwischen eingetroffenen Taxe.
Kaum habe ich ihn erblickt, winkt er auch schon, wir sollen kommen. Dann sagt er uns ohne weitere Erklärung, das sei das Auto, mit dem wir zum Palador gefahren würden. Wir steigen ein, er entfernt sich. 4 CUC sage ich dem Taxifahrer, der ist sehr erstaunt. Besonders, als ich ihm sage, das sei so vereinbart. Fenster auf und versuchte Kontaktaufnahme mit dem Illusionisten, der sich entfernt, die Provision wahrscheinlich schon in Händen. Ich beende die Vorstellung und erkläre 5 CUC zahlen zu wollen.
Also eine kurze Fahrt hinauf zum Talrand, zum Palador. Und dort beginnt die Fortsetzung der Show. Wir halten an, der Fahrer hupt mehrmals laut. Dann hastet er voran, auf dem schmalen Weg zum Palador, das hoch über dem Tal schwebt. Einfach, offen und mit einer Balkenüberdachung. Er zeigt auf uns, er gestikuliert, er redet auf die Restaurantbesitzer ein.
Wir entscheiden blitzschnell, dass wir sein Angebot uns gegen 19 Uhr 30 abzuholen besser annehmen; dann soll das Lokal schließen. Wir sind die einzigen Gäste, ringsum ist es einsam und dunkel, der Ausblick ins Tal bei Tag wohl wunderbar, jetzt aber auch noch schön.
Die Karte. Kaum zu glauben, eine Portion Lobster für 8 CUC. Dazu können wir uns dann aber einen Weißwein leisten. Zwei Spanier (Flasche etwa 12 CUC) oder den Chilenen (Flasche 18 CUC)? Glücklicherweise entscheiden wir uns für den Chilenen. Einen Chardonnay von Sunrise. Gut gekühlt, ein Gedicht. (Später haben wir nur noch mal einen Sauvignon blanc von Sunrise gefunden, nicht annähernd so gut.)
Ja, das Essen. Suppe vorweg, Reis, natürlich mit schwarzen Bohnen, Lobster und Gemüse. Für 8 CUC pro Person, unglaublich gut.
Irgendwann kam noch eine Person und setzte sich zum Personal. Irgendwann dämmerte mir, wer das war. Ja, Sie ahnen es sicher auch schon. Unser Abholer. Oben stand kein Taxi, sondern ein reparaturbedürftiger Privatwagen, wir waren weitervermittelt worden. Wahrscheinlich war es profitabler das Taxiunternehmen aus zuschalten und uns privat abholen zu lassen.
Egal. Es war ein sehr schöner Abend, Nachahmung aufgrund des Paladors empfohlen. Fahren Sie aber nicht so spät, das Palador schließt früh und dann haben sie noch etwas von der fantastischen Aussicht. Vielleicht sogar vom balkonartigen Holzfreisitz.